Chirurgischer Abbruch

Beim chirurgischen Abbruch bis zur 14. Gestationswoche wird die Schwangerschaft unter Lokalanästhesie oder einer kurzen Vollnarkose mit einem dünnen Plastikröhrchen abgesaugt.

Lokalanästhesie (LA) oder Vollnarkose (VN)

Im Verlauf des Eingriffs sind folgende Handlungen mit Schmerzen verbunden:
–    Anhaken der Cervix mit der Kugelzange
–    Dilatation der Cervix,
–    Kürettage (sofern diese durchgeführt wird
–    Uteruskontraktionen während und nach dem Absaugen.
Eine LA hat die geringste Rate an Komplikationen und ist sehr gut durchführbar, sofern die Patientin dies wünscht, kooperativ ist und der durchführende Arzt darin Erfahrung hat. Auch die Zufriedenheit der Patientinnen ist damit sehr hoch.
Vor der Applikation sind selbstverständlich allfällige allergische Reaktionen auf Lokalanästhetika in der Anamnese (z.B. beim Zahnarzt) auszuschließen.

Zur Durchführung wird eine geringe Menge eines Lokalanästhetikums (etwa 5ml Scandicain oder Xylocain 1%) in den Bereich des inneren und äußeren Muttermundes bei 3,6,9 und 12 Uhr gespritzt. (Intrazervicale Methode) Häufig wird auch ein Depot (bis zu jeweils 10ml) parazerival bei 3 und 9 Uhr injiziert. Bei der parazervikalen Methode ist zu berücksichtigen, dass es häufig zu einer intravasalen Applikation kommt. Allfällige Vorsichtsmaßnahmen für akute Reaktionen (cardial, cerebral) sind zu treffen (Cesbron et al 1999, Paul et al 2009).

Bei der Vollnarkose ist zu berücksichtigen, dass der Eingriff nur wenige Minuten dauert (etwa 3-5 Minuten). Somit können sehr kurz wirksame Präparate zur Anwendung kommen. Für die Anästhesie hat sich Propofol iv. als Standard etabliert. Es ist nicht nur sehr gut verträglich, sondern die Narkose lässt sich damit sehr gut steuern und bei Bedarf problemlos verlängern. Für die Analgesie ist Alfentanil (Rapifen®) ideal. Häufig wird auch das etwas länger wirksame Fentanyl verwendet. In jedem Fall kann die Vollnarkose sehr oberflächlich bleiben und häufig ist keine Beatmung notwendig. Nach der Narkose wachen die Patientinnen meist rasch auf und können etwa nach einer Stunde beschwerdefrei entlassen werden.

Priming und Dilatation der Cervix

Der risikoreichste und mitunter auch schwierigste Teil des Eingriffes ist die Dilatation der Cervix. Insbesondere bei folgenden Situationen hat sich die medikamentöse Vorbereitung, das Cervixpriming als sehr hilfreich erwiesen und inzwischen auch als Standard etabliert: Nullipara, Status post Konisation, starker Ante- oder Retroflexio, bei schwieriger Dilatation in der Anamnese, im späten ersten Trimenon oder bei Durchführung in Lokalanästhesie (RCOG 2004, Fiala et al 2007).

Folgende Vorteile ergeben sich:

– Bereits leicht geöffnete Cervix, nur geringe weitere Dilatation notwendig, diese ist sicherer (Reduziertes Risiko der Perforation), schmerzärmer (Narkose kann oberflächlicher gesteuert werden) und rascher
– Besseres Fundusgefühl mit der Saugkanüle aufgrund des leicht kontrahierten Myometriums, dadurch reduziertes Perforationsrisiko in diesem Bereich
– Reduzierung des Blutverlustes aufgrund des kontrahierten Myometriums
– Geringere Dosierung uterotoner Medikamente intraoperativ und dadurch weniger Schmerzen in der post-operativen Phase

In Frage kommen zwei Präparate: das Prostaglandin Misoprostol (Cytotec®/Cyprostol®) oder der Progesteronantagonist Mifepriston (Mifegyne®). Im Englischen Sprachraum sind auch osmotische Dilatatoren (Laminaria/Lamicel®) weit verbreitet. Diese haben jedoch einige Nachteile im Vergleich zu dem medikamentösen Priming und sind deshalb in Europa kaum in Gebrauch.
Je nach Situation und notwendiger Dilatation ist entweder Misoprostol ausreichend, 2 Tab vaginal mindestens 3 Stunden vor dem Eingriff appliziert oder sublingual 1 Stunde vorher. (Jeweils kombiniert mit einem Nichtsteroidalen Antiphlogistikum zur Prophylaxe schmerzhafter Uteruskontraktionen.)
Ein Priming mit Mifegyne empfiehlt sich wenn eine weitere Dilatation notwendig ist, sowie bei St.p. Konisation, Fehlbildungen, schwieriger Kürettage in der Vergangenheit etc. Hierbei wird Mifegyne am Vortag oral eingenommen. Dies ist vollkommen schmerzfrei. Allerdings sollten unmittelbar vor dem Eingriff (etwa 30 Min) noch eine geringe Dosis Misoprostol gegeben werden, um eine Kontraktion des Myometriums während des Eingriffes zu gewährleisten.

Die Dilatation der Zervix sollte mit konischen Dilatatoren durchgeführt werden, z.B. Denniston, Pratt, Hawkin-Ambler. Diese haben deutliche Vorteile gegenüber den parallel geformten Hegar Dilatatoren (Hulka et al 1974).Obwohl diese Evidence seit langem bekannt ist, sind Hegar Dilatatoren nach wie vor weit verbreitet.. Die Dilatation mit konisch geformten Dilatatoren ist mit weniger Kraftaufwand möglich und wesentlich besser dosierbar, womit weniger Schmerzen induziert werden. Auch ist das Aufdehnen mit einer geringeren Anzahl an Dilatatoren möglich, wodurch das Infektionsrisiko reduziert wird.
Gelegentlich stößt man bei der Dilatation auf einen Widerstand, der initial oft nicht erklärbar ist. Hier hat sich bewährt die Dilatation bis zum Widerstand auf etwa 9-12 mm weiterzuführen und danach mit einem kleineren Dilatator nochmals vorsichtig den Widerstand zu überwinden. Idealerweise sollte eine schwierige Dilatation immer unter Kontrolle mittels abdominalem Ultraschall erfolgen.

Konischer Dilatator im Vergleich zu Hegar:

abb7konischer-dilator

 

 

Dilatation der Cervix:

abb8-dilation-der-cervix

 


Aspiration

Die Absaugung ist bereits sehr früh möglich, sobald ein positiver hCG Test vorliegt und kann bis etwa zur 14. Woche sicher durchgeführt werden. Sie erfolgt standardgemäß mit sterilen Einmalsaugern aus transparentem Plastik. Diese sollten so geformt sein, dass an der Spitze eine möglichst große Öffnung besteht. Die Öffnung sollte am Ende eine Kante aufweisen, mit der das Gewebe von dem Myometrium abgeschabt werden kann. Im ersten Trimenon entspricht der Aussendurchmesser der Saugkanüle in etwa der Anzahl an Schwangerschaftswochen. Die Cervix sollte bis auf diesen Durchmesser aufgedehnt werden.
Nach Einführen der Kanüle werden 10-20 rotierende Bewegungen durchgeführt, bis das Cavum weitgehend leer ist. Ein Vorschieben und Zurückziehen sollte auf das Ende des Eingriffes, sowie auf ein Minimum beschränkt werden und keinesfalls rasch erfolgen, um das Perforationsrisiko zu minimieren.
Die Gabe von Uterotonika kann der individuellen Notwendigkeit nach erfolgen. Sie ist häufig nicht notwendig, sofern die Patientin ein Zervixpriming hatte oder der Eingriff in LA durchgeführt wurde.
Eine routinemäßige Nachküretage mit einer Metallkürette ist nicht indiziert.

Form der Saugkanüle:

abb9-form-der-sagkanule

Die Absaugung erfolgt mit rotierender Bewegung:

abb-10-absaugung-erfolgt-mit-rotierender

Dilatation und Evakuation (D&E)

Bei medizinisch indizierten Abbrüchen nach der 14. Woche ist eine Absaugung aufgrund der Größe des Fötus nicht mehr möglich. Bei der D&E genannten Methode wird der Fötus mittels einer Fasszange in Teilen entfernt gefolgt von einer Nachkürettage.
(siehe auch Kapitel Spätabbruch)

 

Kontrolluntersuchung

Gegen Ende des Absaugvorganges sollte routinemäßig eine abdominale Ultraschallkontrolle durchgeführt werden. Dabei hält die Assistenz den Schallkopf auf den Unterbauch, während der Operateur noch operationsbereit ist.  Es wird das gesamte Cavum in 2 Ebenen (vertikal und horizontal) dargestellt, um das Verbleiben von Endometriumresten oder gar der Schwangerschaft auszuschließen. Dabei ist insbesondere zu achten auf die Tubenwinkel, sowie das Cavum bei Vorliegen von intracavitären Myomen, Uterusseptus oder Uterus bicornis. Aus forensischen Gründen empfiehlt sich ein Photo des strichförmigen Cavums in der Krankengeschichte aufzubewahren.

Die sichere Beurteilung eines leeren Cavums mittels Ultraschall ist lediglich unmittelbar nach der Absaugung möglich. Im Anschluß an eine Kürettage kommt es häufig zu (normalen) intracavitären Blutungen, welche bereits kurze Zeit nach dem Abbruch mittels Ultraschall nicht sicher von Residuen zu unterscheiden sind.

Für eine routinemäßige ärztliche Kontrolle einige Tage oder Wochen nach einem Abbruch gibt es keine Notwendigkeit. Zum einen sind Komplikationen äußerst selten. Zum anderen haben Komplikationen einen typischen Zeitverlauf, der nicht ident ist mit dem Zeitintervall einer Routinekontrolle.
Andererseits ist die weitere kontinuierliche Anwendung einer sicheren Kontrazeption sicherzustellen.

Strichförmiges Cavum unmittelbar nach der Absaugung:abb11-strichformiges-cavum

 

 

 

 

 

Cavum bei der gleichen Patientin nach 10 Tagen mit 17 mm Cavum:
abb12-cavum-nach-10-tagen