Abbruch in Österreich

Schwangerschaftsabbruch in Theorie und Praxis

Dr. Christian Fiala
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

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Die Theorie

Die gesetzlichen Grundlagen zum Schwangerschaftsabbruch sind in Österreich klar und einfach, in Form einer sog. Fristenregelung, formuliert.
Seit 1.1.1975 ist dieser nach § 97 StGB straffrei, wenn er
–    auf Antrag der betroffenen Frau
–    von einem Arzt
–    nach einer Beratung und
–    innerhalb der ersten drei Monate nach dem Beginn der Schwangerschaft
vorgenommen wird. Als Beginn der Schwangerschaft wird hierbei die erfolgte Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutterschleimhaut verstanden. (Dies entspricht etwa der 16. Woche gerechnet ab dem ersten Tag der letzten Regelblutung.) Eine Frist von 12 Wochen ist nirgends erwähnt, auch wenn dies in der Öffentlichkeit und teilweise auch in Fachpublikationen als Frist angenommen wird.

Darüber hinaus gibt es im Gesetz keine weiteren Regelungen, Einschränkungen oder verpflichtende Meldung.
Das Verbot des Abbruchs geht auf Kaiserin Maria Theresia zurück, welche dieses Verbot erstmalig eingeführt hat. Seither hat es verschiedene Änderungen gegeben, wobei das ursprüngliche Verbot mit Bedrohung der Todesstrafe schrittweise abgemildert wurde.

Im internationalen Vergleich ist Kanada noch gegangen und hat diese aus der Monarchie stammende Regelung 1988 ersatzlos gestrichen. D.h. der Abbruch ist seither juristisch gesehen eine medizinische Behandlung ohne spezielles Gesetz, welche lediglich ein Einvernehmen von Patientin und Arzt voraussetzt.

Österreich hat somit eine gesetzliche Basis, welche die historische Bevormundung von Frauen reduziert und es in den meisten Fällen ermöglicht, auf die Bedürfnisse der betroffenen Frauen einzugehen. Dabei wird jedoch häufig übersehen, daß es keine Durchführungsbestimmungen gibt. Kein Arzt, aber auch keine Institution ist verpflichtet, Abbrüche durchzuführen, bzw. anzubieten. D.h. eine Frau mit einer ungewollten Schwangerschaft hat keinen Anspruch auf die Durchführung eines Abbruchs. (Wie z.B. in anderen Ländern, u.a. Frankreich) Insbesondere hat sie keinen Anspruch darauf, dies nahe an ihrem Wohnort durchführen zu lassen. Dieses Problem wurde z.B. in Frankreich dahingehend gelöst, daß jede gynäkologische Abteilung eines Krankenhauses verpflichtet ist, Abbrüche durchzuführen. Zwar ist auch dort der einzelne Arzt nicht verpflichtet Abbrüche vorzunehmen, jedoch ist der Leiter einer jeden Abteilung dafür verantwortlich, zumindest einen Arzt einzustellen, der dies übernimmt. Somit wurde eine landesweite Versorgungssicherheit gewährleistet.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in Österreich ist die fehlende Kostenübernahme. In den meisten europäischen Ländern werden die Kosten vollständig oder großteils von den Krankenkassen oder anderen Einrichtungen übernommen. In Österreich ist dies lediglich in wenigen Ausnahmefällen der Fall. Darüber hinaus sind die Preise (im Durchschnitt 500-700 Euro, jedoch in einigen Fällen bis zu 1.000 Euro) weit über dem anderer europäischer Länder. (Auch die Kosten der Verhütungsmittel werden in Österreich, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern nicht von den Krankenkassen übernommen.)

Es muss noch darauf hingewiesen werden, dass im internationalen Vergleich die Art der gesetzlichen Regelung eines Landes überraschend wenig mit der Praxis sowie mit der Anzahl der Abbrüche zu tun hat. Hier sei insbesondere auf Holland hingewiesen, welches zwar eine etwas restriktivere gesetzliche Grundlage als Österreich hat, jedoch eine liberalere Praxis. Trotzdem ist die Rate an Abbrüchen in Holland deutlich geringer als hierzulande, weil die Vorbeugung ungewollter Schwangerschaften wesentlich besser ist.

Tabelle 1: Preise für einen Abbruch im europäischen Vergleich

in Euro Kostenübernahme
Österreich  500 (bis 1000) nein
Belgien 150-250 ja
Deutschland 230-360 ja
Frankreich 145-200 ja
Holland 240-300 ja
Schweiz 460-520 ja

Die Praxis

Dies bringt uns zur Praxis in Österreich, welche unklarer ist als die gesetzliche Regelung und nicht unbedingt als liberal bezeichnet werden kann. Ferner ist sie auch schwer erfassbar, da es aufgrund der fehlenden Kostenübernahme keine Angaben darüber gibt wer wie viele Abbrüche durchführt. Aufgrund sehr fundierter Schätzungen muß man jedoch von etwa 30.000 Abbrüchen pro Jahr ausgehen, womit Österreich eine der höchsten Raten in West-Europa hat.

Als Folge der fehlenden Durchführungsbestimmungen und einer nach wie vor starken sozialen Kontrolle ist die Anzahl an Ärzten und Institutionen, welche Abbrüche durchführen eher gering. Eine 1995 durchgeführte Befragung aller Krankenhäuser mit Gynäkologischen Abteilungen ergab, dass lediglich 17 Krankenhäuser Abbrüche nach der Fristenlösung durchführen, 58 Krankenhäuser nur unter medizinischer Indikation und 25 Spitäler überhaupt nicht. (Wimmer-Puchinger et al.) Obwohl diese Befragung bereits vor über 20 Jahren stattgefunden hat, ist das Ergebnis weiterhin gültig, weil sich an der Versorgung seither kaum etwas verändert hat. Auch besteht ein Ost-West Gefälle mit einer schlechteren Versorgung im Westen (Vorarlberg, Tirol, Salzburg) und einer gewissen Reisetätigkeit aus den Bundesländern nach Wien.

Aber auch die Preise unterliegen enormen Schwankungen und aufgrund der bestehenden Tabuisierung haben betroffene Frauen oft kaum die Möglichkeit innerhalb der gebotenen kurzen Zeit einen Preisvergleich anzustellen.

Auch hat die im Gesetz genannte Frist von etwa 16. Woche, gerechnet ab dem ersten Tag der letzten Regelblutung kaum Bedeutung in der Praxis, da es wenig Ärzte gibt, welche einen Abbruch auch nach der 12. Woche durchführen. So erklärt sich, daß immer noch jedes Jahr 100-200 Frauen nach Holland fahren. In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen werden, dass die Frist in Frankreich vor kurzem von 12 auf 14 Wochen verlängert wurde, um dieser Art des Abtreibungstourismus vorzubeugen.

In Wien ist der Zugang für Frauen als zufriedenstellend zu bezeichnen. Die einzigen beiden Ambulatorien in Österreich, welche auf Abbrüche spezialisiert sind, befinden sich in Wien und es gibt eine gewisse Anzahl an niedergelassenen Ärzten, welche Abbrüche in ihrer Ordination durchführen.

In den Bundesländern ist die Situation schwieriger. Es gibt außerhalb von Wien lediglich drei Krankenhäuser, welche Abbrüche ohne Hürden und zu einem marktüblichen Preis anbieten. (LKH Linz und KH Korneuburg) Und seit April 2005 werden auch im LKH in Salzburg Abbrüche von Ärzten des Gynmed aus Wien durchgeführt, nachdem die Landeshauptfrau dies gegen den Widerstand der Gynäkologen vor Ort angeordnet hatte.

Die unbefriedigende Situation im Westen ist beispielhaft an Vorarlberg dargestellt. Dort gibt es seit einigen Jahren zwar offiziell die Möglichkeit eines Abbruchs, allerdings nur, weil ein Gynäkologe aus Lindau eine Zweitordination in Bregenz eröffnete. Das heißt die soziale Kontrolle funktioniert bis heute und verhindert, daß ein Arzt, welcher auch in Vorarlberg lebt, offiziell Abbrüche durchführt.
Zusätzlich führen einige Krankenhäuser Abbrüche nur unter gewissen Bedingungen durch. Wobei die Bedingungen willkürlich und nicht gesetzlich definiert sind.

Ansonsten gibt es in den Bundesländern eine kleine und regional sehr unterschiedliche Anzahl an niedergelassenen Ärzten, welche Abbrüche in ihrer Ordination durchführen. Darüber hinaus führen einige niedergelassene Gynäkologen Abbrüche ausschließlich für ihre Patientinnen oder in besonderen Situationen durch. Damit wird zwar ein kleiner Teil der Frauen gut versorgt, jedoch sind Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft auf leicht erreichbare und öffentlich zugängliche Informationen über den Abbruch als solches, sowie über durchführende Ärzte angewiesen. Eine häufig mühsame Suche nach einem Arzt „der so was macht“ reduziert nicht die Anzahl von Abbrüchen, sondern ist eine Form der Demütigung, welche von den betroffenen Frauen als gesellschaftlich gewollt verstanden wird.

Und in diesem Bereich der Information gibt es große Defizite, besonders in den Bundesländern, wo Frauen aufgrund der sozialen Kontrolle und der geographischen Distanz oft nicht einfach zu einem anderen Arzt oder einer anderen Beratungsstelle gehen können. Hier hat das Internet bereits eine wichtige Rolle als freie und niederschwellige Informationsquelle übernommen, z.B. www.abtreibung.at.

Die Notwendigkeit einer einfachen und umfassenden Information ohne Bevormundung oder ideologische Fixierung ist durch die Situation bedingt. Schließlich ist die Entscheidung zu einem Abbruch immer eine Krisensituation und nicht von langer Hand geplant.

Technik

Die grundsätzliche Entscheidung zu einem Schwangerschaftsabbruch ist vollkommen unabhängig von den zur Verfügung stehenden Methoden und sollte immer zuerst getroffen werden. Erst wenn, die Entscheidung zum Abbruch klar ist, stellt sich die Frage der Methode. Keine der Methoden ist generell besser oder gar leichter. Wichtig ist vielmehr, wie jede einzelne Frau die unterschiedlichen Vor- und Nachteile für sich wertet und sich dann für eine Methode entscheidet.
Es gibt folgende Methoden, eine Schwangerschaft abzubrechen:

chirurgisch (Absaugung/Saug-Curettage) mit
– örtlicher Betäubung oder
– Vollnarkose
Dabei wird der Muttermund etwa 7-10 mm aufgedehnt und anschließend die Schwangerschaft mit einer dünnen Saugkanüle abgesaugt.
Der Eingriff dauert 5-10 Minuten, wobei es unter guten medizinischen Bedingungen nur extrem selten zu Komplikationen kommt. (Perforation der Gebärmutterwand, Infektionen, Narkosezwischenfall)

medikamentös
– Mifegyne® + Prostaglandin

Zehn Jahre nach der Markteinführung in Frankreich konnten wir im Januar 1999 auch in Österreich Mifegyne erstmalig anwenden. Eine sehr lange Zeitverzögerung wenn man an die internationale Markteinführung anderer Medikamente, z.B. Viagra® denkt.

Allerdings ist der Zugang zu dieser Methode nach wie vor stark eingeschränkt, nachdem die ehemalige Gesundheitsministerin die Anwendung von Mifegyne® auf Krankenanstalten begrenzt hat. Wie oben dargelegt, werden die meisten Abbrüche in Österreich im niedergelassenen Bereich durchgeführt und es gibt nur wenige Krankenhäuser und Ambulatorien, welche Abbrüche anbieten.
Damit ist Österreich das einzige Land der Welt, in welchem niedergelassene Ärzte zwar chirurgische Abbrüche, auch in Vollnarkose in ihrer Praxis machen dürfen, die Frauen jedoch zur Einnahme von drei Tabletten in eine Krankenanstalt überweisen müssen. Und Frauen haben außerhalb des Einzugsbereiches von Wien und Salzburg immer noch keinen Zugang zu dieser Methode. Obwohl die Anwendung von Mifegyne® seit Januar 1999 auch in Österreich zur großen Zufriedenheit der Patientinnen und undramatisch abläuft.
Aufgrund der Begrenzung auf Krankenanstalten wird vielen Frauen die Möglichkeit eines frühen Abbruchs vorenthalten.

Tabelle 2: Gegenüberstellung von chirurgischem und medikamentösem Schwangerschaftsabbruch

chirurgischer Abbruch medikamentöser Abbruch
Durchführung durch einen erfahrenen Arzt
(Verantwortung beim Arzt)
die Frau nimmt die Medikamente (mehr
Eigenverantwortung der Frau, mehr
Konfrontation)
Verlauf in wenigen Minuten zieht sich über mehrere Tage:
1. Tag Mifegyne
3. Tag Prostaglandin
danach die Ausstoßung häufig unbemerkt (in
2% trotzdem ein chir. Eingriff notwendig)
zusätzliche Medikation örtliche Betäubung oder Vollnarkose evtl. Schmerzmittel
Blutung schwach meist stärker und länger als die Regelblutung
Komplikationen sehr selten: Verletzungen der Gebärmutter, Infektionen, Narkosezwischenfall schwere Komplikationen wurden mit dem verwendeten Prostaglandin nicht beobachtet
Nebenwirkungen evtl. Übelkeit nach der Narkose krampfartige Schwerzen, Übelkeit, selten Erbrechen, Durchfall
Auswirkungen auf die
Fruchtbarkeit
möglich aber selten, wenn Komplikationen auftreten keine beobachtet
Zeitpunkt, gerechnet
ab dem 1. Tag der
letzten Regel
ab der 6. bis zur 14. Woche ab einem positiven Tes, bis spätestens 49 Tage (7. Woche) zugelassen
Vorteil Durchführung ist schnell, nachher kaum körperliche Beschwerden kann bereits sehr früh durchgeführt werden, keine Narkose, die Frau gibt die Kontrolle nicht ab
Nachteil erst ab der 6. Woche möglich, die Frau gibt die Kontrolle ab; evtl. Narkose die Frau braucht etwas Zeit, die Behandlung zieht sich über mehrere Tage, stärkere Blutung; evtl. Schmerzen

„Frauen die zwei Jahre zuvor einen medikamentösen Abbruch hatten, unterscheiden sich nicht von denjenigen, die einen chirurgischen Abbruch hatten.Weder in ihrer Gesundheit, noch in ihrer psychischen Verfassung, noch beüglich ihrer Familienplanung. Nahezu alle Frauen legten jedoch großen Wert auf die freie Wahlmöglichkeit zwischen beiden Methoden des Abbruchs.“
Medical abortion or vacuum aspiration? Two year follow up of a patient preference trial. Br J Obstet Gynaecol 1997

Psychische Reaktionen auf einen Schwangerschaftsabbruch

Wenn eine ungewollte Schwangerschaft eingetreten ist, gibt es keine psychisch schmerzfreie Lösung dieser Situation. Ein Abbruch kann möglicherweise zu Gefühlen von Bereuen, Schuld oder Verlust führen. Aber auch die Alternativen, wie erzwungene Heirat, Adoptionsfreigabe des Kindes oder die zusätzliche Belastung eines ungewollten Kindes in einer bereits angespannten Beziehung können zu psychischen Problemen für die Frau, die Partnerschaft, das Kind und die Gesellschaft führen.
Schwere psychische Reaktionen auf einen Abbruch sind sehr selten. Auch Psychosen kommen nur in Ausnahmefällen, mit einer Häufigkeit von 0,3 bis 1,2 auf 1.000 legale Abbrüche vor und treten hauptsächlich bei Frauen auf, die vorbestehend bereits psychiatrische Probleme hatten. Es wurden viele Einzelfallberichte und anekdotische Erzählungen publiziert. Ihnen gemeinsam ist jedoch, daß es dabei keinen klaren Hinweis auf eine ursächliche Verbindung zu dem Abbruch gibt. Obwohl einzelne Frauen und ihre Familie durchaus mit einer überwältigenden emotionalen Antwort auf dieses Ereignis reagieren, kommt dies sehr selten vor.
In der Literatur wurden folgende Frauen als besonders gefährdet für eine negative Reaktion beschrieben, weshalb ihnen eine spezielle Nachbetreuung angeboten werden sollte: Frauen, welche
•    eine gewollte Schwangerschaft aus medizinischen Gründen abbrechen
•    in ihrer Entscheidung von ihrem Partner/den Eltern nicht unterstützt werden
•    gedrängt wurden, eine Entscheidung zu treffen
•    mit tiefen religiösen Überzeugungen in Konflikt kommen
•    generell unsicher sind ob sie schwierige Situationen meistern können
•    sich selbst die Schuld geben, daß sie schwanger geworden sind
•    die Entscheidung zum Abbruch erst im zweiten Trimenon treffen konnten
•    vorhergehende psychische oder psychiatrische Probleme hatten.

Die große Mehrheit der Frauen wird sowohl kurz nach einem Abbruch, als auch für einige Zeit danach, eine Mischung verschiedenster Gefühle haben, wobei jedoch eine positive Grundtendenz, im Sinne einer Erleichterung, vorherrscht. (siehe das Buch: „Traurig und befreit zugleich“,
www.abtreibung.at/fur-ungewollt-schwangere/frauen-berichten )
Die Zeit der größten Belastung ist die Zeit, bevor die Entscheidung getroffen wurde.
Zusammengenommen ergibt sich aus den bisherigen Untersuchungen, daß ein legaler Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft vor der 12. Woche für die meisten Frauen nicht zu einer psychischen Notsituation führt. Sie scheinen dieses Ereignis vielmehr gut zu bewältigen und ihr Leben normal weiterzuführen. Wie bereits im Journal der Amerikanischen Ärztevereinigung (JAMA) publiziert, gibt es derzeit keine glaubwürdigen Hinweise auf die Existenz des sogenannten „postabortion Syndroms.

Henry David, Transnational Family Research Institut, Bethesda, USA, in Proceedings von Abortion Matters, Amsterdam, 1995

Minderjährige

Hier gab es Anfang 2001 eine Gesetzesänderung. Die wesentliche Aussage steht in § 146 ABGB: eine „Einwilligung in medizinische Behandlungen kann das einsichts- und urteilsfähige Kind nur selbst erteilen; im Zweifel wird das Vorliegen dieser Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei unmündigen Minderjährigen vermutet.“ Im konkreten Fall bedeutet dies, daß die Entscheidung für Kontrazeptiva, sowie einen Abbruch ausschließlich von der Minderjährigen, in Absprache mit dem Arzt getroffen wird.
Diese Regelung gibt Jugendlichen mehr Entscheidungsbefugnis und Verantwortung über ihre Fruchtbarkeit.

Ein besonders trauriger Aspekt sollte damit der Vergangenheit angehören. Immer wieder kamen unter 14-Jährige zu einem Abbruch und gaben an, sie hätten die Pille nehmen wollen, diese sei ihnen jedoch von dem Arzt verweigert worden, da sie laut Gesetz in diesem Alter noch keine sexuelle Aktivität haben dürften.
Ein wichtiges Detail betrifft noch Minderjährige, welche zum Zeitpunkt der „Schwängerung“ unter 14 Jahren waren. Hier gibt es kein zeitliches Limit für einen Abbruch. Damit wird der schwierigen Situation Rechnung getragen, dass Frauen in diesem jungen Alter häufig erst sehr spät zu einem Abbruch kommen.
In der Betreuung und Behandlung von Minderjährigen sollte immer wieder auf die vorgeschriebene Verschwiegenheitspflicht, auch gegenüber den Eltern hingewiesen werden.

Zahl der Abbrüche

Die Zahl der in Österreich durchgeführten Abbrüche führt in regelmäßigen Abständen zu hitzigen Diskussionen. Grundsätzlich ist zu sagen, dass es hierüber zwar verlässliche Schätzungen, aber keine Meldedaten gibt. Die Krankenkassen haben keine Daten hierzu, da die Kosten, im Gegensatz zu fast allen anderen Westeuropäischen Ländern, nicht übernommen werden. Und die Durchführung eines Abbruchs ist nicht meldepflichtig. (Allerdings zeigt die Erfahrung aus anderen Ländern, dass eine Meldepflicht nur zu unzuverlässigen Daten führt.)
Ferner stellt sich die Frage, was eine exakte Kenntnis der Zahlen bewirken oder verbessern würde. Aufgrund der recht zuverlässigen Schätzungen wissen sehr genau, dass Österreich deutlich mehr Abbrüche hat als andere Länder, wie Deutschland, Schweiz oder Holland. Wir wissen auch was zu tun wäre, um die Zahl an ungewollten Schwangerschaften und damit an Abbrüchen zu senken. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Prävention, d.h. Maßnahmen für ein besseres Verhütungsverhalten in diesem Land auf große Widerstände stößt oder aus politischen Gründen schlicht nicht umsetzbar ist.

Die letzte genauere Untersuchung über die Häufigkeit von Abbrüchen wurde 1985 von Ketting und Praag im Rahmen eines internationalen Vergleichs publiziert. Die Autoren kamen dabei zu dem Ergebnis, dass eine Zahl von 46.000 bis 67.000 als untere Grenze anzusehen sei.
Weitere ernüchternde Schlussfolgerungen waren: „Mit einem großen Maß an Wahrscheinlichkeit kann jedoch festgestellt werden, dass die Abbruchhäufigkeit in Österreich beträchtlich höher sein muss, als die in den übrigen untersuchten (europäischen) Ländern. … die Anwendung effektiver Verhütungsmethoden in Österreich am geringsten und in den Niederlanden am häufigsten praktiziert wird. … die Abbruchhäufigkeit umso niedriger wird, je mehr die Anwendung effektiver Verhütungsmethoden zunimmt.“
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der Abbrüche seither etwas zurückgegangen ist. Einerseits gibt es heute deutlich weniger Frauen in der Altersgruppe von 15-30. (Ein Rückgang um 20% zwischen 1985 und 2001.) Andererseits wurden in den letzten Jahren eine große Anzahl an Tubenligaturen und Vasektomien durchgeführt, welche die Frauen des sog. „Baby Booms“ in der Altersgruppe von 30-45 wirksam schützen. Dazu schützen sich seit mehr als 10 Jahren die Hormonspirale etwa 10% der Frauen im gebärfähigen Alter sehr wirksam mit der Hormonspirale.

Eine Zahl von derzeit 30-40.000 Abbrüchen pro Jahr scheint realistisch und würde bedeuten, dass im Durchschnitt 3 von 4 Frauen einmal in ihrem Leben einen Abbruch hatten. Dies bestätigt auch die Erfahrung in der gynäkologischen Praxis.
Ansonsten sind die Schlussfolgerungen von damals eine nach wie vor gültige Beschreibung der österreichischen Realität.

Medizinisch begründete Abbrüche

Ein Abbruch ist nicht strafbar, wenn er „zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist oder eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde“.
Mit dieser Formulierung bleibt allerdings offen, wer über den Schweregrad einer vorliegenden Fehlbildung entscheidet. Es gibt hier keine „natürliche“ Grenze, vielmehr liegt es in der Natur der Sache, dass es häufig unterschiedliche Bewertungen gibt. Wenn eine Frau einen Abbruch wünscht, treffen in der Praxis immer die Ärzte die Entscheidung ob ein Abbruch auch durchgeführt wird. Darüber hinaus gibt es eine inoffizielle Absprache der Pränatalzentren, dass Abbrüche nur bei Patientinnen aus dem eigenen Zentrum vorgenommen werden. Frauen, die in anderen Zentren betreut werden und bei denen die Durchführung eines Abbruchs dort abgelehnt wurde, bekommen aufgrund dieser Absprache in keinem anderen Zentrum in Österreich einen  Abbruch.
Deshalb kommt es regelmäßig vor, dass eine schwangere Frau wegen einer Fehlbildung einen Abbruch möchte, der behandelnde Arzt dies jedoch ablehnt. (und die Frau, aufgrund der internen Absprache, in keinem anderen Krankenhaus in Österreich einen Abbruch durchführen lassen kann.)
Bezüglich der Grenze eines medizinisch indizierten Abbruchs hatte es in der Vergangenheit eine gewisse öffentliche Diskussion gegeben. Tatsächlich gibt es im Gesetz kein Limit. Es ist auch nicht möglich ein solches anzugeben, da die Fehlbildungen sehr unterschiedlich sind und sich nicht in eine Kategorie einordnen lassen. In der Praxis wird jedoch die mögliche Überlebensfähigkeit des Fötus (ab etwa der 25. Woche) als Grenze angesehen, sofern die Fehlbildung nicht das Überleben des Fötus in Frage stellt.

Zusammenfassung

Mehr als 40 Jahre nach der Liberalisierung sind Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft in Österreich immer noch einer großen Willkür ausgesetzt, wenn sie einen Abbruch durchführen lassen möchten. Auch sind das hohe Preisniveau, bei fehlender Kostenübernahme, sowie die fehlende wohnortnahe Versorgung im europäischen Vergleich auffallende Benachteiligungen, die keinerlei positive Auswirkungen haben. Darüber hinaus gibt es einzelne Beispiele von überhöhten Preisforderungen, welche als unethisch zu bezeichnen sind.

Andererseits konnten in Österreich nur wenige Maßnahmen zur Prävention von ungewollten Schwangerschaften umgesetzt werden (z.B. First Love Ambulanzen), obwohl gerade dies in anderen Ländern zu einem deutlichen Rückgang an Abbrüchen geführt hat. Die Widerstände gegen die Kostenübernahme von Verhütungsmitteln, gegen den Inhalt des Medienkoffers zur Sexualerziehung und gegen Kondomautomaten in Schulen sind Beispiele aus der kürzeren Vergangenheit.
Aber auch an aktuellen Beispielen mangelt es nicht. Nach wie vor benötigen junge Frauen einen Krankenschein, meist von ihrem Vater, um zum Frauenarzt zu gehen. Die verschriebene Pille müssen sie dann aber selbst bezahlen. (Unsere Gesellschaft kann es jungen Frauen kaum schwerer machen, sich in ihrer Sexualität zu schützen.) Und nach wie vor gibt es einen großen Widerstand gegen eine breite Sexualerziehung an Schulen.
Die angeführten Beispiele zeigen, wie kreativ unsere Gesellschaft sein kann, wenn es um die Umsetzung restriktiver Wertvorstellungen geht. Diese scheinen darin zu bestehen, es insbesondere jungen Menschen schwer zu machen, sich in ihrer Sexualität zu informieren und zu schützen. Wenn es uns nicht gelingt hier eine grundsätzliche Änderung herbeizuführen, wird Österreich auch auf absehbare Zeit eine (gesellschaftlich gewollte) unnötig hohe Zahl an ungewollten Schwangerschaften und folglich auch an Abbrüchen haben.

Die Aussagen der folgenden Studien sind nach wie vor gültig:

„Es gibt kaum Arbeiten, die sich mit den Ursachen von ungewollten Schwangerschaften beschäftigen, sondern vor allem Arbeiten, die sich mit der Persönlichkeit der abbruchwilligen Frau und den aus einem Abbruch zu erwartenden Folgen befassen.
Voraussetzung für die Abnahme der abgebrochenen Schwangerschaften ist jedoch das Erkennen der Entstehungsbedingungen.“
Goebel P., Abbruch der ungewollten Schwangerschaft, Springer Verlag, 1984

„Es ist der Schwangerschaftsabbruch eine Folge inadäquater Verhütung.
Insgesamt wurde über das Thema Verhütung erstaunlich wenig zwischen den Partner gesprochen.
Hauptsächlich ist es Unkenntnis und Unerfahrenheit über die eigene Fruchtbarkeit, die man für das so häufige Nichtanwenden von adäquaten Verhütungsmethoden anführen muss. Hier müsste mehr Aufklärung einsetzten, wenn die Frequenz unerwünschter Schwangerschaften und damit die Abbruchhäufigkeit gesenkt werden soll.“
Wimmer-Puchinger, Empirische Untersuchung der Motive zum Schwangerschaftsabbruch, 1983